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Weniger ist manchmal mehr

Vier Jahre ist es her, da bestand meine Hundegruppe aus  mehreren Hunden verschiedenen Alters, die sehr gut miteinander harmonierten. Da ich damals zu meinem Hauptberuf eine landwirtschaftliche Nebentätigkeit (Schaf-und Ziegenzucht) ausübte, hatten alle Hunde ihre "Jobs" und wurden ihren Rasseveranlagungen entsprechend ausgelastet. 


Dann machte ich zwei große Fehler, und ich hoffe, dass dieser Artikel den Einen oder Anderen davor bewahren kann, denselben bzw. dieselben Fehler zu begehen.


Ich holte zu meiner Hundegruppe zwei Welpen unterschiedlicher Rasse und einige Monate später noch eine reizende  erwachsene Hündin im Abstand von wenigen Monaten dazu. Damit hatte ich acht Hunde - sogar für eine Schafhalterin, die versucht, den Nebenerwerb zum Hauptberuf auszubauen sehr viel.


Warum ich das genau tat, wo ich doch schon fünf Hunde hatte, ist auch für mich im Nachhinein nur schwer nachvollziehbar. Vielleicht, weil sich zwei meiner Hunde - Joy und Meg - nicht für die Schafsarbeit geeignet haben. Meg hatte zu dieser Zeit immer wieder Anfälle, die zwei verschiedene Tierärzte und die Tierklinik als Epilepsie diagnostizierten. Sie war dem Stress der Arbeit nicht gewachsen und musste geschont werden. Joy, mein Kelpie, war nach einem Beissunfall, den sie als Welpe hatte, nachweislich geistig behindert und ebenfalls nicht in der Lage, diese Arbeit zu tun. Geistig war sie auf dem Stand eines Welpen. Somit hatte ich zwei ausgebildete Hündinnen - eine davon schon älter und nicht mehr so belastbar - und einen Hundelehrling. Das schien mir nicht genug für die große Herde,  da ich meine Hunde nicht überlasten wollte.  Mit der Herde zog ich täglich größere Strecken von Koppel zu Koppel, die teilweise mehrere Kilometer auseinander lagen. Die drei Hunde hatten daher  täglich so viel zu tun, dass sie oft vor Müdigkeit schon auf der Heimfahrt im Auto einschliefen und da die anderen beiden Hunde auch dabei waren, hatten alle mehr als genug Auslauf.


Eine Weile ging alles gut.  Die Jungspunde machten (noch) keine Probleme. Mit den beiden "Kleinen" ging ich in eine Welpengruppe, später in eine Junghundegruppe, und mit Cimmie in eine Gruppe "Spiel und Spaß. Für Meg hatte ich eine Angsthundegruppe gefunden und Joy lernte trotz ihrer Behinderung einige Dinge, die das Zusammenleben enorm erleichterten und vereinfachten. Nachdem ich lange gesucht hatte, hatte ich doch eine kompetente Trainerin gefunden, die sehr einfühlsam auf meine Hunde einging. Die anderen drei arbeiteten weiterhin täglich  an den Schafen. Es waren wunderbare Monate und für die Hunde und mich eine glückliche Zeit. Um selbst mehr zu lernen, meldete ich mich zu einem Fernstudium zur Hundeverhaltensberaterin an; zeitgleich begann ich meine Trainerassistenz in einem Hundeverein.


Kurz darauf  spitzte sich meine berufliche Situation, die seit geraumer Zeit sehr angespannt war,  extrem zu. Auch wurden immer wieder Schafe und Weidezaungeräte gestohlen oder Netze geöffnet. Waren die Schafe und Ziegen auf ganz bestimmten Weideflächen, die ich nur noch beweidete, damit sie nicht verbuschten, schwitzte ich schon im Voraus Wasser und Blut und hoffte, ich würde mal kein Brot (das kann für Schafe und Ziegen tödlich sein) auf der Weide finden, kein Streuner wäre in die Herde eingebrochen und hätte sie gehetzt oder kein Fuchs hätte ein Lamm geholt. Das Hobby, der Nebenerwerb, den ich einmal zum Haupterwerb ausbauen wollte, entwickelte sich zum Stressfaktor Nummer eins.

 

Dazu gab es Schwierigkeiten privater und medizinischer Art, so dass ich ungebremst auf den gesundheitlichen Zusammenbruch zusteuerte. Die große Belastung eines  Hauptberufes, in dem man mit vielen verschiedenen Menschen arbeitet, täglich wechselnde Einsatzorte und Einsatzpläne ohne Rücksicht, oft kurzfristig und ohne vorherige Absprache, dazu meine Nebentätigkeit, der Wille,  allen Hunden  gerecht zu werden, ohne gegenüber dem Einen oder Anderen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen und allen eine angemessene Beschäftigung zu bieten brachten mich an den Rand des Machbaren - und darüber hinaus. Zwei Hunden - Meg und Cimmie -ging es gesundheitlich nicht gut und ich ließ sehr viel Geld bei Tierärzten liegen, um den Ursachen auf den Grund zu gehen. Bei Cimmie diagnostizierte man Pankreasinsuffizienz und sie bekam Medikamente. Bei Meg wurde zuerst eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Später, sehr viel später,  nach vielen weiteren Tests und Untersuchungen wurde aus der Diagnose Epilepsie die Diagnose Krampfanfälle wegen Toxoplasmose. Seit der Diagnose und Behandlungen derselben verschwanden auch die Krampfanfälle und das "halbe Hemd" hat heute Normalgewicht.

 

Als sich meine Wohnsituation verschlechterte, weil das jahrhunderte alte Haus, in dem wir wohnten, buchstäblich unter meinen Füßen zerbröckelte - es ist etwa 350 Jahre alt und vor einigen Jahren hatte ein Brand  sehr großen Sachschaden (Personen oder Tiere kamen glücklicherweise nicht ums Leben) angerichtet - und ich alleine mit der Sanierung anfing, um zu retten, was zu retten war, war das der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

 

Obwohl ich versuchte, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und innerhalb weniger Wochen zuerst die Ziegen,  dann die Schafe verkaufte, um genug Zeit und Energie zu haben, mich ganz meinen Hunden widmen zu können, schaffte ich den Spagat zwischen Beruf - Kernsanierung - Hunden nicht  mehr und ich schlitterte in einen burn-out,  der, als Cimmie  und kurz darauf Joy starben, in einer  Depression gipfelte.

 
Jeder, der ein geliebtes Lebewesen verloren hat, weiß, wie einen das aus der Bahn werfen kann und gleich drei - Lyn, Joy und Cimmie -  innerhalb eines kurzen Zeitraums zu verlieren, war in meinem ohnehin schon überarbeiteten Zustand zu viel. 


Durch all diese Umstände sowie durch die sich in relativ kurzer Zeit ändernde Gruppengröße und Gruppenkonstellation kam keine Ruhe in meine Hundegruppe. Zwei ruhige Hunde, die sich harmonisch in die Gruppe einfügten und sie durch ihre liebenswürdige, deeskalierende Art bereicherten, waren gestorben. Andererseits war einer der Jungspunde - Liz - ziemlich schwierig im Zusammenleben mit den anderen, da sie dazu neigte, die anderen zu kontrollieren und kam es immer wieder zu unterschwelligen Spannungen.


So angeschlagen konnte ich den Bedürfnissen der nunmehr sechs Hunde - davon zwei noch immer in der Pubertät -   alleine  nicht gerecht  werden, so dass ich mich nach einem guten, passenden neuen Zuhause für einen meiner Hunde umsah.

 

Welche Ironie:

hatte ich all die Jahre zuvor jedem Nichtschafhalter von der Anschaffung eines Hütehundes  aus Arbeitslinien  abgeraten, hatte es auch in verschiedenen Fachartikeln (diese  werden noch verlinkt) ausdrücklich betont, dass diese Hunde dies meist brauchen, musste ich jetzt selbst nach dem Verkauf meiner Schafe und Ziegen den schweren Weg gehen, und einem meiner Hunde ein neues Zuhause suchen.


Die Abgabe eines Hundes sollte niemals leichtfertig geschehen und immer nur das letzte Mittel und der letzte Ausweg darstellen, doch manchmal ist es die einzige Möglichkeit zum Besten für den Hund, wenn es anders nicht (mehr) möglich ist, ihm gerecht zu werden.

 

 

 

 

 

 

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